Auf Grund der immer stärker werdenden Vernetzung der Wirtschaft treten vermehrt Konstellationen auf, in denen zwar eine Person in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) bzw. der Schweiz sozialversichert ist, jedoch dennoch dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) in Österreich unterliegt.
Dies liegt daran, dass die zwischenstaatliche Sozialversicherung durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 koordiniert wird, während die Betriebliche Vorsorge (BV) in den Bereich des Arbeitsrechts fällt und zwischenstaatlich durch die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-Verordnung) geregelt wird. Dadurch kann der Fall eintreten, dass Sozialversicherung und BV auseinanderklaffen.
Verordnung (EG) Nr. 883/2004
Die unterschiedlichen Systeme der sozialen Sicherheit im EU-Raum werden durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 koordiniert. Hierbei gilt der Grundsatz, dass bei einer parallel ausgeübten Tätigkeit in verschiedenen Mitgliedstaaten immer nur die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften eines einzigen Staates zum Tragen kommen.
Übt eine Person beispielsweise gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung aus, unterliegt sie den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.
Umfangreiche Informationen, welches nationale Recht im Bereich der sozialen Sicherheit bei Tätigkeiten mit Auslandsberührung gilt, bietet unsere Sonderausgabe "Auslandstätigkeit: Wer wo versichert ist". Diese ist unter folgendem Link abrufbar.
"Auslandstätigkeit: Wer wo versichert ist"
Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-Verordnung)
Die Rom I-Verordnung legt fest, welches Arbeitsrecht auf Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug anzuwenden ist.
Im Gegensatz zur Sozialversicherung kann die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften eines bestimmten Staates - in gewissen Grenzen - frei vereinbart werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht also wählen.
Wird keine Rechtswahl getroffen, unterliegt der Arbeitsvertrag gemäß Artikel 8 Rom I-Verordnung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer für gewöhnlich ihre bzw. seine Arbeit verrichtet (gewöhnlicher Arbeitsort). Der gewöhnliche Arbeitsort wechselt nicht, wenn die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ihre bzw. seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet.
Die grundsätzlich mögliche freie Rechtswahl hat allerdings Grenzen. Sie darf nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer jener Schutz entzogen wird, der ihnen nach den zwingenden Bestimmungen desjenigen Rechts gewährt wird, welches mangels Rechtswahl zur Anwendung gelangt wäre. Bei der Frage, welches Arbeitsrecht anzuwenden ist, spielt somit auch bei getroffener Rechtswahl der gewöhnliche Arbeitsort eine gewichtige Rolle.
Die Rom I-Verordnung ist auf Verträge anwendbar, die ab dem 17.12.2009 geschlossen wurden.
Anwendbarkeit des BMSVG
Vom BMSVG sind grundsätzlich alle Arten von privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen erfasst.
Befindet sich der ausschließliche oder gewöhnliche Arbeitsort der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers in Österreich, unterliegt das Arbeitsverhältnis auf Grund der Rom I-Verordnung dem BMSVG. Die BV kann durch Rechtswahl nicht zum Nachteil der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden.
Dies gilt auch bei Arbeitsverhältnissen zu ausländischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern.
Unter gewöhnlichem Arbeitsort ist jener Ort zu verstehen, an dem die vereinbarte Arbeitsleistung tatsächlich ausgeübt wird.
Wird die Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten verrichtet, bestimmt sich der gewöhnliche Arbeitsort danach, wo bei einer Gesamtbetrachtung des Arbeitsverhältnisses der inhaltliche und zeitliche Schwerpunkt der Arbeitsleistung tatsächlich liegt.
Existiert hingegen kein gewöhnlicher Arbeitsort – dies ist zum Beispiel bei ausschließlichem grenzüberschreitenden Fernverkehr der Fall – kommt das Recht jenes Staates zu Anwendung, in dem sich die Niederlassung oder Filiale befindet, die die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer eingestellt hat.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer wohnt in Deutschland. Er wird hauptsächlich für einen deutschen Arbeitgeber in Deutschland tätig, verrichtet daneben aber auch für einen weiteren deutschen Arbeitgeber Arbeiten in Österreich. In beiden Verträgen ist die Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts vereinbart.
Da ein wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat verrichtet wird, unterliegt auch die in Österreich verrichtete Tätigkeit deutschen Sozialversicherungsrechtsvorschriften.
Die Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts kann zwischen den Parteien grundsätzlich frei vereinbart werden, sodass die getroffene Rechtswahl im Prinzip gültig ist. Hätten die Parteien keine Rechtswahl getroffen, wäre auf die in Österreich ausgeübte Beschäftigung österreichisches Arbeitsrecht anzuwenden. Da das BMSVG zwingende Rechtsvorschriften enthält, kann eine getroffene Rechtswahl die Bestimmungen des BMSVG nicht zum Nachteil der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers "verdrängen", sodass die in Österreich ausgeübte Beschäftigung in Österreich der BV unterliegt.
Meldungserstattung und Beitragsabfuhr
Besteht BV-Pflicht in Österreich, ist von der Arbeitgeberin bzw. vom Arbeitgeber mittels Elektronischem Datenaustausch mit den österreichischen Sozialversicherungsträgern (ELDA) eine Anmeldung zur BV beim zuständigen Krankenversicherungsträger grundsätzlich binnen sieben Tagen ab Beschäftigungsbeginn zu erstatten.
Dabei ist das Anmeldedatum in der Grundstellung zu belassen und nur der Beginn der BV zu melden. Das Feld "Beschäftigungsbereich" ist mit "Sonstige Personen ohne KV-Schutz" zu befüllen.
Der erste Monat ist grundsätzlich beitragsfrei. Der Beginn der Beitragszahlung zur BV berechnet sich immer vom Tag des Beginnes der Beschäftigung bis zum selben Tag des nächstfolgenden Kalendermonates (= beitragsfreier Naturalmonat). Beginnt die Beschäftigung beispielsweise am 01.09.2024, so beginnt die Beitragszahlung zur BV am 01.10.2024.
Außerdem sind die Beiträge zur BV mittels monatlicher Beitragsgrundlagenmeldung (mBGM) bis zum 15. des Folgemonates zu melden. Im Falle der Beitragsvorschreibung durch die Österreichische Gesundheitskasse sind die Beiträge zur BV mittels mBGM bis zum Siebenten des auf den Beschäftigungsbeginn bzw. die Änderung der Bemessungsgrundlage folgenden Monates zu melden. Als Verrechnungsgrundlage ist "BV-Verrechnung mit Zeit in der BV" anzugeben. Bei der Erstellung des Tarifblocks ist die Beschäftigtengruppe "Betriebliche Vorsorge ohne SV-Pflicht" zu wählen.
Das Ende der BV-Pflicht - dabei handelt es sich in der Regel um das arbeitsrechtliche Ende der Beschäftigung - ist von der Arbeitgeberin bzw. vom Arbeitgeber mittels Abmeldung bekanntzugeben.
Wurde eine Vereinbarung nach Artikel 21 Abs. 2 der Verordnung 987/2009 abgeschlossen, erstreckt sich die Meldepflicht der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers auch auf das BMSVG.