Biosimilars sind biologische Arzneimittel, die eine sehr ähnliche Struktur und Funktion zu einem anderen in der EU vermarkteten biologisch hergestellten Arzneimittel (= Referenzbiologikum, Originator) aufweisen.
Biosimilars – ein wichtiger Beitrag zur Heilmittelökonomie
Sie sind also Nachfolgepräparate von bereits seit Jahren am Markt zugelassenen Biologika, deren Patent abgelaufen ist [1]. Es bestehen einige Parallelen zu Generika, also Nachfolgepräparaten von chemisch-synthetischen Arzneimitteln, z. B. der verpflichtende Nachweis der Bioäquivalenz zum Originator in klinischen Studien und die bezugnehmende Zulassung. Aufgrund der besonderen Eigenschaften von biologischen Arzneimitteln gelten für Biosimilars aber darüber hinaus noch weitere Auflagen, die der Arzneimittelsicherheit dienen, z. B. die Durchführung klinischer Wirksamkeitsstudien im Vergleich zum Originator in einer Schlüsselindikation. Einen Vergleich zwischen Biosimilars und Generika zeigt die folgende Tabelle.
Generika | Biosimilars | |
---|---|---|
Wirkstoffgröße und -struktur | kleines, einfaches Molekül | größeres, komplexes Molekül |
Herstellung | chemische Synthese | in lebenden Zellen |
Wirkstoffvergleichbarkeit zum Originator | identisch zum Originator | ähnlich, aber nicht identisch zum Originator |
verwendete Hilfsstoffe | können zum Originator abweichen | können zum Originator abweichen |
Bioäquivalenz zum Originator | Nachweis durch klinische Studien vorgeschrieben | Nachweis durch klinische Studien vorgeschrieben |
Wirksamkeitsnachweis | nicht notwendig | Nachweis durch klinische Studien vorgeschrieben (im Vergleich zum Originator) |
Wirksamkeit | vergleichbar zum Originator | vergleichbar zum Originator |
Arzneimittelname | häufig unter Verwendung des Wirkstoffnamens | häufig unter Verwendung eines Fantasienamens |
Zulassungsart | bezugnehmende Zulassung | bezugnehmende Zulassung |
Zulassungswege | nationale, dezentrale oder zentrale Zulassung möglich | nur zentrale Zulassung (über die EMA) möglich |
Biologika, kleine Moleküle und ATMP
Biologische Arzneimittel (Biologika, Biopharmazeutika) sind Arzneimittel, die aus lebenden Zellen, z. B. mit Hilfe der Biotechnologie und gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Typischerweise handelt es sich bei biologischen Wirkstoffen um biologische Makromoleküle, vor allem Proteine (z. B. monoklonale Antikörper oder Hormone) oder Nukleinsäuren (z. B. DNS- oder RNS-Fragmente oder Antisense-Moleküle).
Abbildung 2: Anteile von chemischen Wirkstoffen, biologischen Wirkstoffen und ATMP an Zulassungen neuer Wirkstoffe in Europa (ohne Medizinprodukte, Impfstoffe, Immunglobuline) 2005–2024, Differenzen zu 100 % sind auf Rundungen zurückzuführen. Quellen: EMA, EC, eigene Berechnung.
Im Gegensatz dazu werden die chemisch-synthetisch hergestellten Wirkstoffe als kleine Moleküle bezeichnet. Nochmals von Biologika abzugrenzen sind Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP), die durch die Verwendung lebender Zellen oder ganzer Gewebe gekennzeichnet sind und eine noch höhere Komplexität als Biologika aufweisen.
Abbildung 1: Komplexitätsvergleich verschiedener Wirkstoffmoleküle, A–C kleine Moleküle, D und E Biologika.
A: Acetylsalicylsäure, 21 Atome; B: Ramipril: 62 Atome; C: Ciclosporin, 196 Atome; D: Insulin, rund 790 Atome; E: monoklonaler Antikörper, ca. 20.000 Atome. Quelle: vfa.
Besonderheiten von Biologika
Der Einsatz von biologischen Makromolekülen bringt mit sich, dass im Gegensatz zu kleinen Molekülen die chemische Struktur bei biologischen Wirkstoffen nicht eindeutig definiert ist, z. B. ist es bei Proteinen möglich, dass sich Zuckerreste an verschiedenen Positionen des Makromoleküls befinden. Die Lage dieser Zuckerreste kann in Abhängigkeit der Produktionsbedingungen in Art, Menge und Länge der Kettenreste und in der Positionierung der Reste am Makromolekül variieren (Mikroheterogenität). Aus diesem Grund werden Biosimilars auch nicht als wirkstoffgleich, sondern als wirkstoffähnlich zum Referenzpräparat bezeichnet. Es ist allerdings zu beachten, dass Mikroheterogenität auch zwischen verschiedenen Chargen eines Biologikums auftritt: Der Wirkstoff in einer Charge von Biologikum A ist zu dem Wirkstoff in einer zweiten Charge von Biologikum A nicht identisch, sondern nur ähnlich, genau wie sich die Wirkstoffe in einer Charge von Biologikum A und einer Charge des entsprechenden Biosimilars B ähneln, aber nicht identisch sind. Der Wirkstoffname ist stets derselbe, für die pharmakologische Wirkung sind diese minimalen Unterschiede unbedeutend [1].
Austauschbarkeit zwischen Biosimilars und Originatoren
Die Bioäquivalenz (Ausmaß und Geschwindigkeit der Bioverfügbarkeit) sowie die vergleichbare Wirkung zwischen Biosimilars und ihren entsprechenden Referenzarzneimitteln müssen vor einer Zulassung in klinischen Studien demonstriert werden, können bei zugelassenen Biosimilars also als gegeben betrachtet werden. Doch auch der Wechsel von Originalpräparat zu Biosimilar (und anders herum) bzw. der Wechsel zwischen verschiedenen Biosimilars mit demselben Referenzpräparat ist in der Regel problemlos möglich. Dies ist auch die wissenschaftliche Position, die in einem Statement der EMA und der Dachorganisation der nationalen europäischen Zulassungsbehörden (HMA) vertreten wird [2], wobei sich diese dabei auf Auswertungen aus klinischen Switch-Studien berufen. Als wegweisend kann in diesem Zusammenhang die NOR-SWITCH-Studie gelten, die erstmals umfassend in einem Real-World-Setting gezeigt hat, dass ein Switch von Infliximab-Originator hin zu einem Infliximab-Biosimilar in Bezug auf die Wirksamkeit nicht unterlegen ist [3].
In Österreich verfügbare Biosimilars
Das verstärkte Aufkommen biologischer Arzneimittel – vor allem ab den frühen 2010er Jahren, siehe Abbildung 2 – sorgt dafür, dass die Anzahl an zugelassenen Biosimilars kontinuierlich steigt.
Das erste Biosimilar wurde bereits 2006 zugelassen, dabei handelte es sich um ein Somatropin-Präparat mit dem Referenzarzneimittel Genotropin®. Aktuell (Stand: Mai 2025) sind 115 Biosimilars für 25 Referenzbiologika zugelassen. Zwar sind nicht alle davon in Österreich auf dem Markt, es ist aber ein kontinuierlich steigender Anteil an verfügbaren Präparaten zu verzeichnen, die auch im Erstattungskodex (EKO) zu finden sind (siehe nachfolgende Tabelle).
Referenz- arzneimittel | Wirkstoff | Haupteinsatzbereiche | erstes Biosimilar in Europa zugelassen | erstes Biosimilar in Österreich verfügbar | erstes Biosimilar im EKO (Grün bzw. Gelb) |
---|---|---|---|---|---|
Genotropin® | Somatropin | Wachstumshormonmangel | 04/2006 | 11/2007 | 09/2008 |
Erypo® | Epoetin | Anämien | 08/2007 | 11/2007 | 08/2008 |
Neupogen® | Filgrastim | Neutropenien | 09/2008 | 11/2008 | 05/2009 |
Remicade® | Infliximab | Autoimmunerkrankungen | 09/2013 | 04/2015 | 09/2017 |
Gonal-F® | Follitropin alfa | Follikelstimulation | 09/2013 | 07/2014 | 11/2020 |
Lantus® | Insulin glargin | Diabetes mellitus | 09/2014 | 08/2015 | 09/2021 |
Enbrel® | Etanercept | Autoimmunerkrankungen | 01/2016 | 01/2017 | 07/2017 |
Lovenox® | Enoxaparin Natrium* | Thromboseprophylaxe | 09/2016 | 04/2018 | 11/2018 |
Forsteo® | Teriparatid* | Osteoporose | 01/2017 | 09/2019 | 01/2020 |
MabThera® | Rituximab | Krebserkrankungen/ Autoimmunerkrankungen | 02/2017 | 06/2018 | – |
Humira® | Adalimumab | Autoimmunerkrankungen | 03/2017 | 11/2018 | 03/2019 |
Humalog® | Insulin lispro | Diabetes mellitus | 07/2017 | 12/2017 | – |
Herceptin® | Trastuzumab | Krebserkrankungen | 11/2017 | 05/2018 | – |
Avastin® | Bevacizumab | Krebserkrankungen | 01/2018 | 07/2020 | – |
Neulasta® | Pegfilgrastim | Neutropenien | 09/2018 | 11/2018 | 03/2019 |
NovoRapid® | Insulin aspart | Diabetes mellitus | 06/2020 | – | – |
Lucentis® | Ranibizumab | Makuladegeneration | 08/2021 | – | – |
Soliris® | Eculizumab | Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie | 04/2023 | 06/2023 | – |
RoActemra® | Tocilizumab | Autoimmunerkrankungen | 09/2023 | 11/2023 | 05/2024 |
Eylea® | Aflibercept | Makuladegeneration | 09/2023 | – | – |
Tysabri® | Natalizumab | Multiple Sklerose | 09/2023 | 02/2025 | – |
Stelara® | Ustekinumab | Autoimmunerkrankungen | 01/2024 | 08/2024 | 12/2024 |
Prolia® | Denosumab | Osteoporose | 05/2024 | – | – |
Xgeva® | Denosumab | Krebserkrankungen mit Knochenbeteiligung | 05/2024 | – | – |
Xolair® | Omalizumab | Asthma/chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen | 05/2024 | – | – |
*für diese Wirkstoffe sind auch Nachfolgepräparate als Generika zugelassen |
Übersicht über Referenzarzneimittel, zu denen derzeit (Stand: Mai 2025) mindestens ein Biosimilar zugelassen ist und Hinweise zur Verfügbarkeit der Biosimilars in Österreich. Quellen: EMA, Österreichisches Warenverzeichnis, Erstattungskodex.
Biosimilars im Erstattungskodex
Die Aufnahme von Biosimilars in den EKO geht mit finanziellen Vorteilen einher. Dies ist hauptsächlich auf die EKO-Aufnahmeregularien für Biosimilars zurückzuführen, die im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) festgehalten sind. Da Biosimilars im Vergleich zu Generika einen höheren produktionstechnischen und regulatorischen Aufwand für die in Verkehr bringenden pharmazeutischen Unternehmen verursachen, wird derzeit bei der Aufnahme des ersten Biosimilars in den EKO ein Preis gefordert, der nur 38 % unter dem des Originators liegt, während für Generika hier 50 % gelten. Gleichzeitig muss der Originator seinen Preis um 30 % absenken, um im EKO verbleiben zu können.
Das bedeutet, dass die Aufnahme von Biosimilars in den EKO per se zu einem Absinken des Preisniveaus führt. Häufig kann dadurch auch ein Wechsel in den EKO-Bereichen erfolgen (z. B. Aufnahme von Biosimilars in den Grünen Bereich des EKO, während der Originator im Gelben Bereich gelistet ist), was zu bürokratischen Erleichterungen führt, weil beispielsweise Bewilligungen entfallen können. Dies stellt neben den ökonomischen Vorteilen ein weiteres Argument für die bevorzugte Verordnung von Biosimilars dar.
Häufig versuchen die Originatoren durch Preissenkungen auf das Niveau der Biosimilars ihre Marktanteile zu verteidigen. Dieses niedrigere Preisniveau ist offensichtlich auch für die Originator-Hersteller immer noch kostendeckend, folglich spiegelt das Preisniveau vor dem Markteintritt von Biosimilars nicht nur die Kosten im Zusammenhang mit Entwicklung, Produktion und Vermarktung des Arzneimittels (inkl. eines angemessenen Profits) wider.
Doch auch im Fall von Preisgleichheit oder nur geringen Unterschieden zwischen Originator und Biosimilars lohnt sich die bevorzugte Verordnung von Biosimilars, weil dadurch sichergestellt werden kann, dass Österreich einen lukrativen Markt für die Hersteller von Biosimilars darstellt und hierzulande auch in Zukunft mit der Verfügbarkeit neuer Biosimilars und den damit einhergehenden Preiskorrekturen gerechnet werden kann. Dies trägt einen wesentlichen Teil dazu bei, dass Kostensteigerungen im Heilmittelbereich abgefedert werden können und somit finanzielle Ressourcen für die Aufrechterhaltung des hohen medizinischen Niveaus in Österreich zur Verfügung stehen. Außerdem gehen dadurch neue Impulse an die forschenden Pharmaunternehmen zur Erforschung innovativer Therapien aus, da die Margen von ehemals gewinnbringenden Präparaten schmelzen.
Fazit
- Biosimilars sind wirkstoffähnliche Nachfolgepräparate zu biologischen Referenzarzneimitteln und können diese im klinischen Alltag ersetzen
- die dadurch induzierten ökonomischen Vorteile stärken die effektive Ressourcennutzung innerhalb der solidarischen Krankenversicherung
- verfügbare Nachfolgepräparate im EKO (Generika und Biosimilars) können bequem über das Infotool zum Erstattungskodex (www.erstattungskodex.at) oder über die kostenlose App EKO2go identifiziert werden
Jetzt die App EKO2go nutzen:
Infotool zum Erstattungskodex:
Literatur
[1] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Biosimilars. 2. Auflage, Version 1.0 (Januar 2021). Abrufbar unter: www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/LF/PDF/Biosimilars.pdf .
[2] European Medicines Agency und Heads of Medicines Agencies. Statement on the scientific rationale supporting interchangeability of biosimilar medicines in the EU (21.04.2023). Abrufbar unter: www.ema.europa.eu/en/documents/public-statement/statement-scientific-rationale-supporting-interchangeability-biosimilar-medicines-eu_en.pdf.
[3] Jørgensen KK, Olsen IC, Goll GL et al. Switching from originator infliximab to biosimilar CT-P13 compared with maintained treatment with originator infliximab (NOR-SWITCH). A 52-week, randomised, double-blind, non-inferiority trial. Lancet 2017;389(10086):2304–16.