Patientinnen und Patienten können eventuell nur mit Verzögerung versorgt werden, in Apotheken müssen lieferbare Alternativen gesucht und mit der verordnenden Ärztin bzw. dem verordnenden Arzt abgeklärt werden, Ordinationen müssen unter Umständen neue Rezepte ausstellen, kurz gesagt: Der Aufwand steigt. Auch für die Krankenversicherungsträger erhöhen sich die Bürokratie und die Kosten, wenn nicht lieferbare Arzneimittel durch teurere Alternativen ersetzt werden müssen.

Entwicklung der Lieferproblematik

Lieferengpässe sind kein komplett neues Phänomen. Schon immer hat es auch in Österreich Arzneimittel gegeben, die vorübergehend oder dauerhaft nicht lieferbar waren. Allerdings hat sich die Anzahl der betroffenen Arzneimittel in den letzten Jahren stark erhöht (siehe Abbildung 1).

Der zuständigen Arzneimittelbehörde in Österreich, dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), wurden beispielsweise für 2011 nur 30 Vertriebseinschränkungen (also Nichtlieferbarkeiten oder eingeschränkte Lieferbarkeit) gemeldet. 2019 waren dies bereits 323, was dazu geführt hat, dass seit Mitte 2020 eine verpflichtende Meldung durch die Hersteller an das BASG erfolgen muss und dadurch 2020 erstmals über 1.000 Meldungen erfolgten.

Der bisherige Höchststand betrug im Jahr 2023 1.515 gemeldete Vertriebseinschränkungen. Im Jahr 2024 gab es zwar einen leichten Rückgang auf 1.177 Meldungen, das Niveau bleibt aber weiterhin hoch. Die Bekanntmachung der Vertriebseinschränkungen durch das BASG erfolgt tagesaktuell in einem öffentlich zugänglichen Register.


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 Abbildung 1: Gemeldete Vertriebseinschränkungen in Österreich, 2011–2024. Quelle: BASG.

Gründe für Lieferschwierigkeiten

Gründe für eine eingeschränkte Lieferbarkeit von Arzneimitteln gibt es viele. Ein Hauptgrund liegt in der zunehmenden Konzentrierung der Arzneimittel- bzw. Wirkstoffproduktion als negative Auswirkung der Globalisierung. Die Produktion findet häufig in sehr großem Maßstab aber dafür in nur wenigen Fabriken – vor allem im asiatischen Raum – statt. Kommt es in einer dieser Fabriken zu Ausfällen, ist gleich ein bedeutender Teil der globalen Nachfrage betroffen und Engpässe sind die Folge.

Ein weiterer Faktor für eine eingeschränkte Lieferbarkeit von Arzneimitteln ergibt sich aus der immer komplexer werdenden Interpretation der Gültigkeit von Patenten, Exklusivitätsrechten und Schutzzertifikaten bei Originalarzneimitteln, die die juristische Einschätzung erschweren, wann Nachfolgepräparate auf den Markt kommen können. Dies endet nicht selten vor Gericht, wodurch sich bis zur endgültigen Klärung häufig Unsicherheit bei den Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmern einstellt und die Vermarktung betroffener Arzneimittel unter Umständen eingeschränkt wird.

Was wird gegen Lieferprobleme unternommen?

Die Problematik der steigenden Häufigkeit von Lieferengpässen ist allen relevanten Stellen im Gesundheitssystem bekannt. Daher wurden auch einige Versuche unternommen, die Situation zu entschärfen. In Österreich wurden bereits 2023 sogenannte Wirkstofflager eingerichtet. Dabei handelt es sich um die Vorratshaltung bestimmter Wirkstoffe in Reinform (z. B. Antibiotika), die im Falle des Eintritts eines Lieferengpasses für die Herstellung entsprechender magistraler Rezepturen in Apotheken herangezogen werden können.

Weiters gibt es auch Pläne für Medikamentenvorratslager, die für mehr als 700 als besonders kritisch eingestufte Medikamente die Bevorratung eines durchschnittlichen Vier-Monats-Vorrat bei den Herstellern vorsehen, um so vorübergehende Engpässe abfedern zu können. Für bestimmte Arzneimittel kann in Österreich im Falle von Lieferengpässen auch ein Exportverbot durch das BASG verhängt werden, um die Engpasssituation nicht noch weiter zu verschärfen.

Aber auch auf europäischer Ebene gibt es Aktivitäten: die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) wendet sich vermehrt diesem Thema zu und hat dazu auch kürzlich die European Shortages Monitoring Platform (ESMP) eingerichtet, um Lieferengpässe auf nationaler und europäischer Ebene besser koordinieren zu können. Involviert sind dabei neben den Herstellern auch die nationalen Arzneimittelbehörden (z. B. das BASG). Neben Verbesserungen in der Information, die einen besseren Umgang mit Lieferengpässen ermöglichen, werden aber auch Maßnahmen verfolgt, die an der Ursache von Lieferengpässen ansetzen. In der europäischen Arzneimittelstrategie, die vor allem Schwachstellen adressiert, die durch die COVID-Pandemie aufgedeckt wurden, wird unter anderem auch die Behebung von Arzneimittelengpässen thematisiert. Dort zu findende Maßnahmen umfassen unter anderem die Förderung der Produktion von pharmazeutischen Ausgangsstoffen, Hilfsstoffen und Arzneimitteln in der EU, um unabhängiger von der außereuropäischen Produktion zu werden, sowie den erleichterten zwischenstaatlichen Austausch von betroffenen Arzneimitteln bei regionalen Lieferschwierigkeiten.

Unterstützung für Ärztinnen und Ärzte

Die österreichische Sozialversicherung versucht, verordnende Ärztinnen und Ärzte bestmöglich in dieser herausfordernden Situation zu unterstützen. Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang ist die Integration der Informationen aus der Liste der Meldungen zu Vertriebseinschränkungen von Arzneispezialitäten in die App EKO2go, sodass bereits bei der Verordnung von Arzneimitteln etwaige Lieferschwierigkeiten berücksichtigt und auch weiterhin ökonomische Verordnungen durchgeführt werden können.

Darüber hinaus wurden zwischen Sozialversicherungsträgern, der Apothekerkammer und dem für Gesundheit zuständigen Ministerium pragmatische Lösungen für die Verordnung von magistralen Rezepturen ausgehandelt. Dadurch konnten z. B. während der verstärkten Nichtlieferbarkeit von Antibiotika im Winter 2023 Kleinkinder und Kinder mit den für sie notwendigen Darreichungsformen (z. B. Säfte), die besonders stark von den Engpässen betroffen waren, weiterhin flächendeckend versorgt werden.


Fazit

  • Lieferengpässe sind aufgrund der komplexen Ursachen eine fortwährende Herausforderung in der Arzneimittelversorgung.
  • Auf verschiedenen Ebenen werden Maßnahmen zur Bewältigung getroffen.
  • Auch unter diesen schwierigen Gegebenheiten ist die ökonomische Verordnung weiterhin ein wichtiger Baustein, um die Finanzierbarkeit des österreichischen Gesundheitswesens auf dem bekannt hohen Niveau gewährleisten zu können.
  • Die österreichische Sozialversicherung unterstützt dabei durch verschiedene Maßnahmen, z. B. die Integration der BASG-Informationen zu Vertriebseinschränkungen in die App EKO2go.