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Kollektivverträge unter die Lupe genommen

Frau im Büro_Foto Antonio Guillem_Quelle Shutterstock

Kollektivverträge sind für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von großer Bedeutung, da sie wichtige Regelungen zu den Arbeits- und Entgeltbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern enthalten. Welcher Kollektivvertrag auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, haben wir für Sie aufbereitet. 

Kollektivverträge sind Vereinbarungen, die zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (primär Fachverbände bzw. Fachgruppen der Wirtschaftskammer) sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Arbeiterkammer und Österreichischer Gewerkschaftsbund) schriftlich abgeschlossen werden.

Neben den gesetzlichen Grundlagen (zum Beispiel Angestelltengesetz) sind im Kollektivvertrag alle wichtigen wechselseitigen Rechte und Pflichten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis festgelegt. Dazu zählen etwa Regelungen zur Arbeitszeit und zur Entlohnung (Mindestgehälter bzw. -löhne).

Hinweis: Leistet die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber nicht zumindest das kollektivvertragliche Entgelt, liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vor. Die Bezirksverwaltungsbehörden können für derartige Unterentlohnungen Geldstrafen verhängen.

Gut zu wissen

Günstigkeitsprinzip: Die Bestimmungen des Kollektivvertrages können durch Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge weder aufgehoben noch beschränkt werden.

Abweichende Regelungen bzw. Sondervereinbarungen sind, sofern der jeweilige Kollektivvertrag diese nicht ausschließt, nur gültig, soweit sie für die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind.


Geltungsbereich

Der Geltungsbereich eines Kollektivvertrages informiert darüber, für welche Beschäftigten dieser Anwendung findet. Es gibt meist einen räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich:

  • Der räumliche Geltungsbereich bestimmt das Gebiet (Bundesländer), innerhalb dessen er gilt.
  • Der fachliche Geltungsbereich richtet sich nach der Branche oder dem Geschäftszweig, für die bzw. den er abgeschlossen wird.
  • Der persönliche Geltungsbereich legt wiederum fest, auf welche Personengruppen (Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Lehrlinge) er anzuwenden ist.

Kollektivvertragsangehörigkeit

Innerhalb des räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches des Kollektivvertrages sind jene Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kollektivvertragsangehörig, die zur Zeit des Abschlusses Mitglied einer der Vertragsparteien waren oder später werden.

Auf Arbeitgeberseite entsteht die Kollektivvertragsangehörigkeit grundsätzlich durch das Lösen einer Gewerbeberechtigung und die Mitgliedschaft bei der entsprechenden Fachorganisation der Wirtschaftskammer. Diese schließt den für den jeweiligen Bereich anzuwendenden Kollektivvertrag ab. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob die bzw. der Beschäftigte der am Abschluss beteiligten Interessenvertretung angehört (Außenseiterwirkung).

Erlischt ein Kollektivvertrag, bleiben seine Rechtswirkungen für Arbeitsverhältnisse, die unmittelbar davor erfasst waren, vorerst aufrecht. Und zwar so lange, bis für diese Arbeitsverhältnisse ein neuer Kollektivvertrag wirksam oder mit den betroffenen Beschäftigten eine neue Einzelvereinbarung abgeschlossen wird (Nachwirkung).

Mehrfache Kollektivvertragsangehörigkeit

Entsprechend dem Grundsatz der Tarifeinheit ist auf ein und dasselbe Arbeitsverhältnis immer nur ein Kollektivvertrag anzuwenden. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber häufig verschiedene Gewerbeberechtigungen besitzen und sich demzufolge in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen betätigen. Im Falle einer Kollektivvertragskollision sieht deshalb das Arbeitsverfassungsgesetz entsprechende Kollisionsnormen vor.

Kollisionsnormen

Zwei oder mehrere Betriebe: Verfügt eine Arbeitgeberin bzw. ein Arbeitgeber mit mehrfacher Kollektivvertragsangehörigkeit über zwei oder mehrere Betriebe, für die unterschiedliche Gewerbeberechtigungen gelten, findet auf die Beschäftigten der jeweils dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung.

Beispiel: Eine Arbeitgeberin betreibt ein Hotel am Standort A und ein Souvenirgeschäft am Standort B. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hotel gilt der Kollektivvertrag Hotel- und Gastgewerbe, für die Beschäftigten am Standort B der Kollektivvertrag Handel.

Haupt- und Nebenbetriebe: Ist der Betrieb in Haupt- und Nebenbetriebe oder in sonstige organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen unterteilt, ist jener Kollektivvertrag anzuwenden, der dem jeweiligen Betriebsteil entspricht.

Bei der im Einzelfall zu treffenden Abgrenzung kommt es darauf an, ob eine strikte betriebsorganisatorische Trennung der Arbeits- bzw. Produktionsprozesse besteht. Indizien dafür sind zum Beispiel die räumliche Trennung der fachlichen Wirtschaftsbereiche, eigene Kostenstellen, getrennte Rechnungslegung oder eigenes Management. Monetäre Größen, wie etwa Umsatz oder Gewinn, spielen hierbei keine Rolle.

Beispiel: Ein Arbeitgeber betreibt am selben Standort einen Gebrauchtwagenhandel, der von einem Verkaufsleiter geführt wird, sowie eine Autowerkstatt mit eigenem Werkstattleiter. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf unterliegen dem Kollektivvertrag Handel, während für die Mechaniker der Kollektivvertrag Eisen- und ­metallverarbeitendes Gewerbe gilt.

Mischbetrieb: Liegt keine organisatorische und fachliche Trennung vor, ist jener Kollektivvertrag anzuwenden, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Wesentlich ist, welcher Wirtschaftszweig den Betrieb prägt bzw. dominiert. 

Bei der Frage nach dem "Kerngeschäft" ist in jedem Fall eine Gesamtbetrachtung anzustellen (Oberster Gerichtshof 22.10.2012, 9 ObA 7/12p). Hier spielen die Kriterien Umsatz und Gewinn eine Rolle. Aber beispielsweise auch der Betriebsmitteleinsatz, die Arbeitsintensität (Anzahl der eingesetzten Arbeitskräfte, Produktionsvolumen) sowie das äußere Erscheinungsbild des Betriebes können von Bedeutung sein.

Mittels Betriebsvereinbarung kann klargestellt werden, welchem fachlichen Wirtschaftsbereich maßgebliche Bedeutung zukommt. Liegt eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetriebe bzw. Betriebsabteilungen vor, ist dies nicht möglich.

Beispiel: Eine Arbeitgeberin betreibt eine Autowerkstatt mit angeschlossenem Gebrauchtwagenhandel. Der Umsatz aus der Werkstatt übersteigt den des Handelsgeschäftes. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sowohl die Mechaniker als auch das Verkaufspersonal - unterliegen dem Kollektivvertrag Eisen- und metallverarbeitendes Gewerbe.

Ausnahmefälle: Liegt weder eine organisatorische Trennung noch die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines Bereiches vor, ist jener Kollektivvertrag anzuwenden, dessen Geltungsbereich ungeachtet der Verhältnisse im Betrieb (österreichweit) die größere Anzahl von Beschäftigten erfasst.

Persönlicher Geltungsbereich

Wird eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer in zwei oder mehreren Betrieben bzw. organisatorisch abgegrenzten Betriebsabteilungen eingesetzt, für die verschiedene Kollektivverträge gelten, kommt es darauf an, wo der (zeitlich) überwiegende Einsatz erfolgt. Kann dies nicht festgestellt werden, ist jener Kollektivvertrag anzuwenden, der die größere Zahl von Beschäftigten in dieser Branche (österreichweit) umfasst. Auf die Verhältnisse im Betrieb kommt es dabei nicht an.

Vorab ist jedenfalls zu klären, welche Kollektivverträge entsprechend den vorstehenden Kollisionsnormen überhaupt zur Anwendung gelangen. 

Kollektivverträge - Besonderheiten

Welche Besonderheiten bei der Kollektivvertragsangehörigkeit und der Anwendung eines Kollektivvertrages zu beachten sind, können Sie hier nachlesen:

Kollektivverträge - Besonderheiten

Ansprechpersonen

Auskünfte zu Detailfragen zu den Kollektivverträgen erhalten Sie bei Ihren Interessenvertretungen.

Autor: Mag. Wolfgang Böhm/ÖGK