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Persönliche Arbeitsverpflichtung versus Vertretungsbefugnis

Stand: 01.01.2024


Eine der Grundvoraussetzung für ein Beschäftigungsverhältnis als Dienstnehmerin bzw. Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 erster Satz des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) ist, dass die jeweilige Tätigkeit persönlich verrichtet wird. Mit der Frage, welche Kriterien für bzw. gegen eine diesbezügliche Verpflichtung sprechen, hat sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits mehrmals auseinandergesetzt.

Vertragliche Regelungen

Ausgangsbasis für die versicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes einer Tätigkeit ist grundsätzlich die vertragliche Gestaltung der Beschäftigung. Dies insofern, weil die jeweils getroffene Vereinbarung - vorausgesetzt es liegen keine Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft vor - die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt.

Entscheidend ist im Zweifelsfall laut den einschlägigen Erkenntnissen des VwGH jedoch immer, ob bei der in der Praxis ausgeübten (ungeachtet der getroffenen Vereinbarung) Tätigkeit die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen.

Für die Beurteilung, ob persönliche Arbeitspflicht oder eine generelle Vertretungsbefugnis besteht, sind somit ungeachtet etwaig bestehender Verträge primär die tatsächlichen Verhältnisse relevant.

Generelle Vertretungsbefugnis

Eine der persönlichen Abhängigkeit entgegenstehende Vertretungsbefugnis liegt dann vor, wenn die beschäftigte Person nach persönlichem Gutdünken die vereinbarte Leistung jederzeit an Dritte übertragen kann. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist, dass dieses Vertretungsrecht generell besteht und nicht nur für einzelne Arbeiten oder bei Eintritt von bestimmten Ereignissen, wie zum Beispiel im Urlaubs- oder Krankheitsfall, greift. Ist die Auftraggeberin bzw. der Auftraggeber hinsichtlich der Vertretung zu informieren bzw. bedarf die Inanspruchnahme Dritter einer Zustimmung, liegt ebenfalls kein generelles Vertretungsrecht vor.

Achtung: Die generelle Vertretungsbefugnis darf nicht mit einem wechselseitigen Vertretungsrecht zwischen mehreren von einer Dienstgeberin bzw. einem Dienstgeber beschäftigten Personen verwechselt werden.

Scheingeschäft

Beim Bestehen einer generellen Vertretungsbefugnis ist es im Allgemeinen nicht entscheidend, ob die beschäftigte Person von dieser Berechtigung auch tatsächlich Gebrauch macht. Unterbleibt dies jedoch für einen längeren Zeitraum liegt ein Indiz für eine Scheinvereinbarung vor. Wie der VwGH bereits widerholt zum Ausdruck gebracht hat, steht eine ausdrücklich vereinbarte Vertretungsbefugnis auch schon dann im Verdacht ein Scheingeschäft zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen ist. 

Ist etwa eine Einschulung zwecks korrekter Ausübung der Tätigkeit erforderlich, wird eine generelle Vertretungsbefugnis in Frage zu stellen sein.

Zum besseren Verständnis nachstehend einige Auszüge aus der Judikatur: 
"Schon das Vorliegen von Zutrittsbeschränkungen, aber auch eine Verpflichtung zur Geheimhaltung firmeninterner Informationen und Unterlagen schließen ein generelles Vertretungsrecht aus." (VwGH 04.06.2008, 2007/08/0184) 

"Stellt ein Empfänger der Arbeitsleistung Anforderungskriterien an die Arbeit auf, die die Zahl der möglichen Vertreter so einschränkt, dass eine jederzeitige Vertretung ausgeschlossen ist, liegt eine persönliche Abhängigkeit vor." (VwGH 26.09.1995, 96/08/0155)

"Es ist keine Scheinbegründung der Behörde, wenn aus Inkassofunktion und Überlassung des KFZ u.a. auf die Notwendigkeit eines besonderen Vertrauensverhältnisses geschlossen wird." (VwGH 04.06.2008, 2006/08/0252)

Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses, eines freien Dienstvertrages oder auf selbstständiger Basis ausgeübt wird, ist äußerst komplex. Bestehen hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Behandlung von Beschäftigungsverhältnissen im Einzelfall Zweifel, stehen wir für weitere Informationen gerne zur Verfügung.